Umwelt­ver­schmut­zung: Immer mehr Che­mi­ka­lien im Regenwasser

Immer mehr Che­mi­ka­lien im Regenwasser 

Neue For­schungs­er­geb­nisse zeigen, dass das Regen­wasser an den meisten Orten der Erde einen Anteil an Che­mi­ka­lien ent­hält, der weit über den Grenz­werten liegt. Diese als PFAS bezeich­neten syn­the­ti­schen Stoffe werden in Anti­haft­pfannen, Feu­er­lösch­schaum und was­ser­ab­wei­sender Klei­dung ver­wendet.
Sie werden als “ewige Che­mi­ka­lien” bezeichnet und ver­bleiben über Jahre in der Umwelt.
Sie sind inzwi­schen so weit ver­breitet, dass es nach Ansicht der Wis­sen­schaftler keinen sicheren Ort auf der Erde mehr gibt, an dem man sie ver­meiden könnte.

Per- und poly­fluo­rierte Alkylverbindungen

Auszug aus Wiki­pedia: “Per- und poly­fluo­rierte Alkyl­ver­bin­dungen (eng­lisch per- and poly­fluo­ro­alkyl sub­s­tances, abge­kürzt PFAS) sind ali­pha­ti­sche orga­ni­sche Ver­bin­dungen, bei denen an min­des­tens einem Koh­len­stoff­atom die Was­ser­stoff­atome am Koh­len­stoff­ge­rüst voll­ständig durch Flu­or­atome ersetzt worden sind. [...]

PFAS haben keine natür­liche Quelle. Sie werden indus­triell her­ge­stellt und in einer Viel­zahl von Pro­dukten ver­wendet. Viele PFAS rei­chern sich in der Umwelt sowie im mensch­li­chen und tie­ri­schen Gewebe an. Einige PFAS stehen im Ver­dacht, krebs­er­re­gend zu sein. Die jähr­li­chen gesund­heits­be­zo­genen Gesamt­kosten im Zusam­men­hang mit der Expo­si­tion des Men­schen gegen­über PFAS beliefen sich in den Län­dern des Euro­päi­schen Wirt­schafts­raums (EWR) auf min­des­tens 52 bis 84 Mil­li­arden Euro. Die jähr­li­chen Gesamt­kosten für Umwelt­scree­ning, Über­wa­chung bei Kon­ta­mi­na­tion, Wasser­aufbereitung, Boden­sa­nie­rung und Gesund­heits­be­wer­tung belaufen sich im EWR plus der Schweiz auf 821 Mil­lionen bis 170 Mil­li­arden Euro. In Nah­rungs­mit­teln wurden ins­be­son­dere in Fisch, Fleisch und Erzeug­nissen daraus sowie in gerin­gerem Umfang auch in Eiern und Milch­pro­dukten mess­bare PFAS-Gehalte gefunden. Die höchsten Gehalte werden in Inne­reien nach­ge­wiesen. Die PFAS-Auf­nahme über pflanz­liche Nah­rungs­mittel lässt sich nicht sicher beur­teilen: Dort liegt die Menge oft unter der Nach­weis­grenze, es liegen aber auch ins­ge­samt weniger Gehalt­daten vor.” Quelle: https://​de​.wiki​pedia​.org/​w​i​k​i​/​P​e​r​-​_​u​n​d​_​p​o​l​y​f​l​u​o​r​i​e​r​t​e​_​A​l​k​y​l​v​e​r​b​i​n​d​u​n​gen

Die For­scher der Uni­ver­sität Stock­holm halten es für “äußerst wichtig”, dass die Ver­wen­dung dieser Stoffe rasch ein­ge­schränkt wird. Studie: Außer­halb des sicheren Betriebs­be­reichs einer neuen pla­ne­ta­ri­schen Grenze für Per- und Poly­flu­or­al­kyl­sub­stanzen (PFAS), https://​pubs​.acs​.org/​d​o​i​/​1​0​.​1​0​2​1​/​a​c​s​.​e​s​t​.​2​c​0​2​765

Wis­sen­schaftler befürchten, dass PFAS Gesund­heits­ri­siken, ein­schließ­lich Krebs, bergen könnten, auch wenn die For­schung bisher nicht schlüssig ist. In den letzten Jahren haben sie sich zuneh­mend Sorgen über die Ver­brei­tung von PFAS gemacht.
PFAS steht für Poly- und Per­flu­or­al­kyl­sub­stanzen.
Es gibt etwa 4.500 dieser Ver­bin­dungen auf Fluor­basis, die in fast jeder Woh­nung der Erde in Hun­derten von All­tags­pro­dukten wie Lebens­mit­tel­ver­pa­ckungen, anti­haft­be­schich­teten Koch­ge­schirren, Regen­klei­dung, Kleb­stoffen, Papier und Farben zu finden sind.

Es wurden auch Sicher­heits­be­denken hin­sicht­lich des Vor­han­den­seins dieser lang­le­bigen Stoffe im Trink­wasser geäu­ßert.
Anfang dieses Jahres fand eine BBC-Unter­su­chung PFAS in Was­ser­proben in Eng­land in Mengen, die über den euro­päi­schen Sicher­heits­ni­veaus lagen, jedoch nicht über den aktu­ellen Sicher­heits­ni­veaus in Eng­land und Wales.

Link zum BBC Artikel: Besorgnis über gif­tige Che­mi­ka­lien im Leitungs­wasser https://​www​.bbc​.com/​n​e​w​s​/​s​c​i​e​n​c​e​-​e​n​v​i​r​o​n​m​e​n​t​-​6​0​7​6​1​972

Die neue Studie, in der vier spe­zi­fi­sche Che­mi­ka­lien dieser Klasse unter­sucht werden, deutet darauf hin, dass die Kon­zen­tra­tionen eines PFAS im Regen­wasser welt­weit häufig die in den USA emp­foh­lenen Grenz­werte für Trink­wasser bei weitem überschreiten.

Boden­kon­ta­mi­na­tion

Auch der Boden ist welt­weit in ähn­li­cher Weise kon­ta­mi­niert, wie die Studie zeigt.
Die Ergeb­nisse der Studie lassen die Autoren zu dem Schluss kommen, dass eine pla­ne­ta­ri­sche Grenze über­schritten wurde – dass es auf der Erde ein­fach keinen sicheren Ort gibt, an dem man diese Stoffe ver­meiden kann.
“Wir argu­men­tieren hier, dass wir uns nicht mehr in diesem sicheren Bereich befinden, weil wir diese Che­mi­ka­lien jetzt überall haben und diese Sicher­heits­emp­feh­lungen nicht mehr errei­chen können”, sagte Prof. Ian Cou­sins, der Haupt­autor von der Uni­ver­sität Stock­holm.
“Ich will damit nicht sagen, dass wir alle an diesen Aus­wir­kungen sterben werden. Aber wir sind jetzt an einem Punkt ange­langt, an dem man nir­gendwo auf dem Pla­neten mehr leben und sicher sein kann, dass die Umwelt sicher ist”.
Dies ist zwei­fellos besorg­nis­er­re­gend, aber es gibt auch einige Vor­be­halte.
Viele der gel­tenden Sicher­heits­ni­veaus haben Emp­feh­lungs­cha­rakter, d. h. sie sind recht­lich nicht durch­setzbar.
Andere Wis­sen­schaftler sind der Ansicht, dass mit Maß­nahmen für diese Che­mi­ka­lien gewartet werden sollte, bis die Gesund­heits­ri­siken ein­deu­tiger nach­ge­wiesen sind.
Die Gesund­heits­ri­siken von PFAS wurden bereits ein­ge­hend erforscht, und Wis­sen­schaftler sind der Ansicht, dass eine hohe Belas­tung mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebs­arten, Frucht­bar­keits­stö­rungen und Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rungen bei Kin­dern ver­bunden sein kann. Solche Asso­zia­tionen sind jedoch kein Beweis für Ursache und Wir­kung, und andere Stu­dien haben keinen Zusam­men­hang zwi­schen PFAS und Krank­heiten festgestellt.

Abs­trakt der Studie

“Per­flu­or­al­kyl­säuren (PFAA) sind syn­the­ti­sche Che­mi­ka­lien mit einer Viel­zahl von Anwen­dungen in der Indus­trie und im Ver­brau­cher­be­reich, die heute in der Umwelt weit ver­breitet sind. Hier berichten wir über die Mes­sung von sechs Per­fluo­ro­car­boxy­laten (PFCA, C4-C9) in einem Firn­kern (kör­niger, kom­pri­mierter Schnee), der an einem nicht küs­ten­nahen, hoch­ge­le­genen Standort in Dron­ning Maud Land in der Ost­ant­arktis gesam­melt wurde. Die Schnee­ak­ku­mu­la­tion des ent­nom­menen Kerns datiert von 1958 bis 2017, ein Zeit­raum, der mit dem Auf­kommen, der Ver­wen­dung und der geo­gra­fi­schen Ver­la­ge­rung der welt­weiten indus­tri­ellen Pro­duk­tion von poly-/per­flu­or­al­ky­lierten Sub­stanzen, ein­schließ­lich PFAA, zusam­men­fällt. Wir beob­ach­teten in diesem Zeit­raum eine zunehmende Anrei­che­rung von PFCA im Schnee, wobei die che­mi­schen Flüsse für Per­fluo­roc­ta­noat (PFOA, C8) und Non­anoat (PFNA, C9) in den Jahren 2009–2013 ihren Höhe­punkt erreichten und es kaum Anzei­chen für einen Rück­gang dieser Che­mi­ka­lien gab, obwohl ihre Pro­duk­tion in jüngster Zeit welt­weit ein­ge­schränkt worden sein soll. Im Gegen­satz dazu hat der Gehalt an Per­fluor­bu­ta­noat (PFBA, C4) seit 2000 deut­lich zuge­nommen, wobei die höchsten Werte in den obersten Schnee­schichten zu ver­zeichnen sind. Diese Befunde stimmen mit denen überein, die zuvor in der Arktis gemacht wurden, und können auf den Ersatz von Flu­or­chlor­koh­len­was­ser­stoffen (z. B. Fluor­koh­len­was­ser­stoffe) als unbe­ab­sich­tigte Folge der glo­balen Regu­lie­rung zurück­ge­führt werden.” Quelle: https://​pubs​.acs​.org/​d​o​i​/​1​0​.​1​0​2​1​/​a​c​s​.​e​s​t​.​2​c​0​2​592

Risi­ko­reiche Locke­rungen der Grenzwerte

Aber es ist äußerst schwierig, die in den USA emp­foh­lenen Werte zu unter­schreiten, so die Autoren.
Da die Wis­sen­schaftler in den letzten 20 Jahren mehr Erkennt­nisse über PFAS gewonnen haben, wurden die Sicher­heits­emp­feh­lungen kon­ti­nu­ier­lich gesenkt.
Das gilt auch für das Vor­kommen dieser Che­mi­ka­lien im Boden – und auch das bereitet Pro­bleme.
In den Nie­der­landen hat das Infra­struk­tur­mi­nis­te­rium 2018 neue Grenz­werte für die Kon­zen­tra­tion von PFAS in Böden und Bag­gergut fest­ge­legt.
Dies führte jedoch dazu, dass 70 % der Bau­pro­jekte, bei denen Boden ent­nommen oder Aus­hub­ma­te­rial ver­wendet wird, gestoppt wurden. Nach Pro­testen lockerte die Regie­rung die Richt­li­nien.
Der neuen Studie zufolge ist eine der­ar­tige Locke­rung der Sicher­heits­ni­veaus auch bei der Ver­un­rei­ni­gung von Wasser wahr­schein­lich. “Wenn man diese Richt­li­nien überall anwenden würde, könnte man nir­gendwo mehr bauen”, sagte Prof. Ian Cou­sins.
“Ich denke, man wird das Gleiche mit den US-Trink­was­ser­emp­feh­lungen machen, weil sie nicht prak­ti­kabel sind.
“Das liegt nicht daran, dass an der Risi­ko­be­wer­tung etwas falsch wäre. Es ist nur so, dass man diese Dinge nicht anwenden kann. Aus wirt­schaft­li­cher Sicht ist es ein­fach unmög­lich, diese Richt­li­nien anzuwenden.

Che­mi­ka­lien können nicht von der Natur abge­baut werden

Das Haupt­pro­blem bei diesen Che­mi­ka­lien ist ihre Per­sis­tenz und nicht ihre Toxi­zität, so die Autoren der Studie.
Obwohl einige schäd­liche PFAS von den Her­stel­lern vor zwei Jahr­zehnten aus dem Ver­kehr gezogen wurden, bleiben sie in Wasser, Luft und Boden erhalten.
Eine Mög­lich­keit, wie PFAS in der Umwelt zir­ku­lieren, besteht darin, dass sie in Form win­ziger Par­tikel mit der Gischt in die Luft und dann zurück an Land getragen werden.
Diese Unfä­hig­keit, sich in der Umwelt abzu­bauen, bedeutet, dass PFAS jetzt sogar in abge­le­genen Gebieten der Ant­arktis zu finden sind, wie Prof. Hal­sall kürz­lich berichtete.

Link zur Studie: Zunehmende Anrei­che­rung von Per­fluor­car­boxylat-Schad­stoffen in einem ant­ark­ti­schen Tan­nen­kern (1958−2017) https://​pubs​.acs​.org/​d​o​i​/​1​0​.​1​0​2​1​/​a​c​s​.​e​s​t​.​2​c​0​2​592

Wäh­rend es auf euro­päi­scher Ebene Bestre­bungen gibt, die Ver­wen­dung dieser Che­mi­ka­lien ein­zu­schränken und unschäd­li­chere Ersatz­stoffe zu finden, besteht auch die Hoff­nung, dass die Indus­trie schnell von der Ver­wen­dung von PFAS abrü­cken wird.

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