Studie: Schad­stoffe beein­flussen Geschlecht

Stu­di­en­vor­stel­lung: “Geschlech­ter­ver­hältnis bei der Geburt hängt mit Schad­stoffen zusammen”

Eine groß ange­legte Lang­zeit­studie in den USA und Schweden zeigt mög­liche Zusam­men­hänge zwi­schen bestimmten Schad­stoffen und dem Anteil männ­li­cher und weib­li­cher Neugeborener.

Nach Angaben der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion ist das Ver­hältnis zwi­schen männ­li­chen und weib­li­chen Neu­ge­bo­renen oft leicht zugunsten der Männer ver­zerrt. Hypo­the­tisch gesehen haben befruch­tete mensch­liche Eizellen zwar in etwa die gleiche Wahr­schein­lich­keit, XX- oder XY-Chro­mo­somen zu haben, aber viele soziale, bio­lo­gi­sche und umwelt­be­dingte Fak­toren beein­flussen poten­ziell, ob die Befruch­tung zu einer Lebend­ge­burt führt.

In einem am 2. Dezember in PLOS Com­pu­ta­tional Bio­logy ver­öf­fent­lichten Artikel berichtet ein For­scher­team, dass es die Daten von 150 Mil­lionen Men­schen in den USA über einen Zeit­raum von acht Jahren und die Daten von 9 Mil­lionen Men­schen in Schweden über einen Zeit­raum von 30 Jahren durch­forstet hat, um den poten­zi­ellen Ein­fluss einiger dieser Fak­toren her­aus­zu­fil­tern. Sie fanden signi­fi­kante sta­tis­ti­sche Kor­re­la­tionen zwi­schen ver­schie­denen Umwelt­schad­stoffen sowie stres­sigen Ereig­nissen und dem Geschlech­ter­ver­hältnis bei der Geburt von Kindern.

Das Team durch­suchte Daten­sätze und erfasste Gesund­heits­sta­tis­tiken aus den beiden Län­dern, ein­schließ­lich Infor­ma­tionen über das Geburts­datum, die geo­gra­fi­sche Ver­tei­lung und die bio­lo­gi­schen Mütter der in den ange­ge­benen Zeit­räumen gebo­renen Babys. Mes­sungen von Umwelt­schad­stoffen wurden von der US-Umwelt­schutz­be­hörde, die die Daten nach US-Bezirken ord­nete, und dem schwe­di­schen Meteo­ro­lo­gi­schen und Hydro­lo­gi­schen Institut und Sta­tistik zur Ver­fü­gung gestellt.

Auf der Grund­lage von Ana­lysen der Kor­re­la­tionen zwi­schen Umwelt­schad­stoffen und dem Geschlech­ter­ver­hältnis bei Geburten berich­teten die Wis­sen­schaftler, dass luft- und was­ser­ge­bun­dene Schad­stoffe wie Alu­mi­nium, Chrom und Queck­silber mit einem höheren Anteil männ­li­cher Neu­ge­bo­rener in Ver­bin­dung gebracht wurden. Bei Blei schien die Kor­re­la­tion umge­kehrt zu sein, da höhere Blei­kon­zen­tra­tionen im Boden mit einem gerin­geren Anteil männ­li­cher Babys ver­bunden waren. Eine wei­tere Analyse unter­suchte mög­liche Zusam­men­hänge zwi­schen belas­tenden Ereig­nissen wie dem Hur­rikan Kat­rina und der Schie­ßerei an der Vir­ginia Tech in den USA und dem Geschlech­ter­ver­hältnis und stellte fest, dass nur die Schie­ßerei signi­fi­kant mit einem ver­än­derten Geschlech­ter­ver­hältnis ver­bunden war – in diesem Fall wurden 34 Wochen nach dem Ereignis mehr weib­liche als männ­liche Babys geboren. Es wurde kein sta­tis­tisch signi­fi­kanter Zusam­men­hang zwi­schen dem Geschlech­ter­ver­hältnis und anderen Fak­toren wie Tem­pe­ratur und Kri­mi­na­lität festgestellt.

Der Com­pu­ter­ge­netiker und Mit­autor der Studie, Andrey Rzhe­tsky von der Uni­ver­sity of Chi­cago, erklärt gegen­über The Guar­dian: “Dies ist eine Liste von Ver­däch­tigen, die es zu unter­su­chen gilt, und für alle Ver­däch­tigen gibt es glaub­wür­dige Beweise, aber wir sind sehr weit von einer Ver­ur­tei­lung ent­fernt.” Zu diesen Beweisen gehören Arbeiten an mensch­li­chen Zellen und Tier­mo­dellen. Zu den Ein­schrän­kungen der Studie gehören nach Ansicht der Autoren das Fehlen von Daten über Tot­ge­burten und die Ver­wen­dung einer Stu­di­en­po­pu­la­tion, die sich auf Per­sonen mit pri­vater Kran­ken­ver­si­che­rung beschränkt und nicht reprä­sen­tativ für die gesamte US-Bevöl­ke­rung ist.

Gareth Nye, ein auf Schwan­ger­schaft spe­zia­li­sierter Phy­sio­loge der Uni­ver­sity of Chester, der nicht an der Studie betei­ligt war, stimmt im Guar­dian zu, dass “ohne Zell­for­schung diese Ergeb­nisse immer Asso­zia­tionen sein werden”. Er fügt jedoch hinzu: “Es besteht kein Zweifel daran, dass Schad­stoffe bei Gesund­heit und Krank­heit eine Rolle spielen und dass diese Form der com­pu­ter­ge­stützten For­schung dazu bei­tragen kann, die Gründe dafür zu verstehen.”

Zusam­men­fas­sung der Studie

Das mensch­liche Geschlech­ter­ver­hältnis bei der Geburt (SRB), defi­niert als das Ver­hältnis zwi­schen der Zahl der neu­ge­bo­renen Jungen und der Gesamt­zahl der Neu­ge­bo­renen, ist in der Regel etwas größer als 12 (mehr Jungen als Mäd­chen) und schwankt ten­den­ziell zwi­schen ver­schie­denen geo­gra­fi­schen Regionen und Zeit­räumen. In dieser groß ange­legten Studie ver­suchten wir, zuvor gemel­dete Zusam­men­hänge zu vali­dieren und neue Hypo­thesen zu testen, indem wir zwei sehr große Daten­sätze mit elek­tro­ni­schen Kran­ken­akten (EMR) sta­tis­tisch ana­ly­sierten. Einer der Daten­sätze reprä­sen­tiert mehr als die Hälfte (∼ 150 Mil­lionen) der US-Bevöl­ke­rung über einen Zeit­raum von mehr als 8 Jahren (IBM Watson Health Mar­ket­Scan Ver­si­che­rungs­an­sprüche), wäh­rend der andere die gesamte schwe­di­sche Bevöl­ke­rung (∼ 9 Mil­lionen) über einen Zeit­raum von mehr als 30 Jahren abdeckt (das schwe­di­sche natio­nale Pati­en­ten­re­gister). Nachdem wir mehr als 100 Hypo­thesen getestet hatten, zeigten wir, dass keiner der beiden Daten­sätze Modelle unter­stützt, in denen sich die SRB sai­sonal oder als Reak­tion auf Schwan­kungen der Umge­bungs­tem­pe­ratur ver­än­dert. Aller­dings wurden erhöhte Werte einer Reihe von Luft- und Was­ser­schad­stoffen mit nied­ri­geren SRBs in Ver­bin­dung gebracht, ein­schließ­lich erhöhter indus­tri­eller und land­wirt­schaft­li­cher Akti­vi­täten, die als Ersatz für die Was­ser­ver­schmut­zung dienten. Dar­über hinaus erwiesen sich einige exo­gene Fak­toren, die im All­ge­meinen als Umwelt­gifte ange­sehen werden, als Aus­löser für höhere SRB-Werte. Schließ­lich iden­ti­fi­zierten wir neue Fak­toren mit Signalen für ent­weder höhere oder nied­ri­gere SRBs. In allen Fällen waren die Effekt­größen bescheiden, aber auf­grund des großen Umfangs der beiden Daten­sätze sta­tis­tisch hoch signi­fi­kant. Auch wenn es unwahr­schein­lich ist, dass die Asso­zia­tionen durch geschlechts­spe­zi­fi­sche Selek­ti­ons­me­cha­nismen ent­standen sind, sind sie für die Über­wa­chung der öffent­li­chen Gesund­heit den­noch nütz­lich, wenn sie durch empi­ri­sche Belege bestä­tigt werden können.

Link zur Studie: https://​jour​nals​.plos​.org/​p​l​o​s​c​o​m​p​b​i​o​l​/​a​r​t​i​c​l​e​?​i​d​=​1​0​.​1​3​7​1​/​j​o​u​r​n​a​l​.​p​c​b​i​.​1​0​0​9​586

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