Poten­zi­elle Gesund­heits­ri­siken von Mikroplastikpartikeln

Poten­zi­elle Gesund­heits­ri­siken von Mikroplastikpartikeln

Vieles von dem, was Sie über Plas­tik­ver­schmut­zung gehört haben, könnte falsch sein. Der berüch­tigte Great Pacific Gar­bage Patch ist keine große Müll­insel, son­dern besteht aus vom Men­schen ver­ur­sachten Abfällen, die sich über Hun­derte von Meilen im Meer ver­teilen – eher eine Suppe als eine schwim­mende Müll­halde. Recy­cling ist kom­pli­zierter, als man uns bei­gebracht hat: Weniger als neun Pro­zent des von uns erzeugten Plas­tiks werden wie­der­ver­wendet, und der Groß­teil landet im Meer. Und die Ver­schmut­zung durch Plastik beschränkt sich nicht nur auf das offene Meer: Es ist auch in einem Groß­teil der Luft, die wir atmen, und der Lebens­mittel, die wir essen, enthalten.

In Thi­cker Than Water: The Quest for Solu­tions to the Pla­stic Crisis” nimmt die Jour­na­listin Erica Cirino die Leser mit auf eine Reise rund um den Globus, um die Wis­sen­schaftler und Akti­visten zu treffen, die die wahre Geschichte der Plas­tik­krise erzählen. Vom Deck eines Segel­boots, das auf Plas­tik­jagd geht und dessen Motor nicht mehr funk­tio­niert, bis hin zu den Labors, in denen Spit­zen­for­schung zu Mikro­plastik und den von uns auf­ge­nom­menen Che­mi­ka­lien betrieben wird, zeichnet Cirino ein umfas­sendes Bild davon, wie die Plas­tik­ver­schmut­zung die Tier­welt und die mensch­liche Gesund­heit bedroht. Thi­cker Than Water” zeigt, dass die Plas­tik­krise auch eine Geschichte der öko­lo­gi­schen Unge­rech­tig­keit ist, da ärmere Länder einen grö­ßeren Anteil des welt­weiten Mülls auf­nehmen und die her­ge­stellten Che­mi­ka­lien vor allem schwarze und ein­kom­mens­schwache Gemeinden bedrohen.

Buch­emp­feh­lung: Thi­cker Than Water

Link zum Buch: https://​island​press​.org/​b​o​o​k​s​/​t​h​i​c​k​e​r​-​w​a​ter

Mit neuen Gesetzen zum Verbot von Ein­weg­ar­ti­keln und tech­no­lo­gi­schen Inno­va­tionen, die Plastik in unserem Leben ersetzen sollen, gibt es etwas Hoff­nung am Hori­zont. Doch Cirino zeigt, dass wir das Pro­blem nur lösen können, wenn wir uns seinem ganzen Ausmaß stellen und beginnen, unsere Weg­werf­kultur zu ver­bes­sern. Thi­cker Than Water ist ein beredter Aufruf, die Sys­teme, die Wellen von Plas­tik­müll pro­du­zieren, neu zu untersuchen.

Viele Che­mi­ka­lien, die bei der Her­stel­lung von Kunst­stoffen ver­wendet werden, so genannte Weich­ma­cher, sind bekann­ter­maßen giftig, wie Stu­dien an nicht­mensch­li­chen Tieren und an Men­schen glei­cher­maßen belegen. Bis­phe­nole, wie Bis­phenol A (BPA), und Phtha­late sind zwei gän­gige Klassen von Weich­ma­chern, von denen bekannt ist, dass sie die Hor­mon­ak­ti­vität von Wild- und Labor­tieren beeinträchtigen, was zu Stoff­wechsel- und Wachs­tums­pro­blemen sowie zu Krebs führt.

Zu den Che­mi­ka­lien, die sich häufig an Mikro­plas­tik­par­tikel in den Ozeanen anla­gern, gehören Pes­ti­zide wie Dichlor­di­phe­nyl­tri­chlor­ethan (DDT), das welt­weit ver­boten wurde, außer zur Bekämp­fung von durch Insekten über­tra­genen epi­de­mi­schen Krank­heiten wie Malaria. Zu den anderen Toxinen, die sich an Mikro­plastik anla­gern, gehören Indus­trie­che­mi­ka­lien wie poly­chlo­rierte Biphe­nyle (PCB), die für unzäh­lige Zwecke ver­wendet wurden, unter anderem als Zusatz­stoffe für Anti­fouling-Schiffs­bo­den­farben, bis die meisten Länder der Welt – ein­schließ­lich eines Groß­teils der Euro­päi­schen Union und der USA – die meisten ihrer Ver­wen­dungen ver­boten. Sowohl DDT als auch PCB sind Gift­stoffe, von denen bekannt ist, dass sie bei Men­schen und Wild­tieren durch direkte Expo­si­tion wie Ein­atmen und Ver­schlu­cken gesund­heits­schäd­liche Wir­kungen her­vor­rufen. Diese und viele andere vom Men­schen her­ge­stellte Gifte, die heute in der Natur zu finden sind, werden als “per­sis­tente orga­ni­sche Schad­stoffe” (POS) ein­ge­stuft, die eine che­mi­sche Struktur besitzen, die dem Abbau wider­steht, so dass sie lang­fristig in der Umwelt ver­bleiben und zir­ku­lieren können. POSs haben daher die Fähig­keit, die Umwelt kon­ti­nu­ier­lich zu ver­giften, indem sie in ver­schie­dene Ebenen der Lebens­welt ein­dringen, bevor sie in ver­wandte che­mi­sche Neben­pro­dukte (so genannte Meta­boliten, die in der Regel eben­falls giftig sind) umge­wan­delt werden.

Wenn ein Lebe­wesen Plastik frisst, gehen Wis­sen­schaftler davon aus, dass die in der Natur aus Plastik her­ge­stellten oder absor­bierten Gift­stoffe in ihr Kör­per­system gelangen und mög­li­cher­weise gesund­heit­liche Pro­bleme ver­ur­sa­chen. Mee­res­tiere, die Mikro­plastik ver­zehren, werden bei­spiels­weise auch durch die in den Par­ti­keln ent­hal­tenen Weich­ma­cher und etwaige POS-Mit­bringsel aus dem Meer belastet. Im Ver­gleich zu intak­teren Plas­tik­teilen ver­fügt Mikro­plastik über eine zusätz­liche Ober­fläche mit gezackten Rän­dern, die die Abgabe von Che­mi­ka­lien in den Körper der Tiere ver­stärken kann.

Dieses Phä­nomen, das der Wis­sen­schaftler Kris­tian Syberg von der Uni­ver­sität Ros­kilde unter­sucht hat, wird als Vek­tor­ef­fekt bezeichnet. Die Mole­küle dieser Toxine, die von einem wan­dernden Vektor – der Plastik – getragen werden, sind oft lipophil oder haben eine phy­si­ka­li­sche und che­mi­sche Nei­gung zu Fetten und neigen daher dazu, sich im Fett­ge­webe von Lebe­wesen anzu­sam­meln. Fett dient als Spei­cher für Toxine, die frei­ge­setzt werden, wenn der Körper die Fett­zellen zur Ener­gie­ge­win­nung anzapft. Wenn dies geschieht, muss die Leber die darin ein­ge­schlos­senen Che­mi­ka­lien verstoffwechseln.

Nah­rungs­knapp­heit ist eine häu­fige Erfah­rung für wilde Tiere, die in und über dem weiten und uner­bitt­li­chen offenen Meer leben. Bei meiner Arbeit mit Wild­tieren auf dem Land habe ich beob­achtet, wie Tiere wie Falken und Eulen in mageren Zeiten schnell krank wurden oder starben, wenn auch nicht an Hunger an sich: Toxi­ko­lo­gi­sche Unter­su­chungen von Raub­tieren haben ergeben, dass die Gifte in den Fett­zellen des Kör­pers, die sich im Laufe des Lebens durch den Ver­zehr wilder Nah­rung ange­sam­melt haben, frei­ge­setzt werden, wenn der Körper Fett zur Ener­gie­ge­win­nung ver­brennt. Da sie nicht schnell abge­baut werden, ver­weilen die POSs im Körper und rei­chern sich mit der Zeit an. Wenn ein Tier haupt­säch­lich von Fett­re­serven leben muss, beschleu­nigt sich die Geschwin­dig­keit, mit der der Körper Gift­stoffe abbaut, so dass schäd­liche Che­mi­ka­lien, die einst in den Fett­zellen gespei­chert waren, in das Gehirn und andere lebens­wich­tige Organe gelangen.

Natür­lich besteht die Erde aus Che­mi­ka­lien. Wir sind aus Che­mi­ka­lien gemacht. Es sind die gif­tigen Che­mi­ka­lien, die uns umgeben, die wir ver­meiden müssen, um sicher zu sein. Einige davon, wie z. B. radio­ak­tive Metalle, kommen natür­lich in unter­schied­li­chen Mengen vor, wäh­rend andere, wie z. B. PCB, durch den Men­schen in die Welt gebracht wurden. Diese Che­mi­ka­lien sind nun ständig um uns herum und in uns, und wir können geschä­digt werden, wenn wir zu viel auf einmal oder über einen län­geren Zeit­raum einer zu hohen Kon­zen­tra­tion aus­ge­setzt sind. Die All­ge­gen­wart von Mikro­plastik und der che­mi­sche Ver­grö­ße­rungs­vektor-Effekt ver­kom­pli­zieren diese Glei­chung, indem sie unsere Welt mit kleinen Dosen von Giften füllen, die uns – wenn sie von unserem Körper auf­ge­nommen werden – näher an den schmalen Grat bringen, der Sicher­heit von Schaden trennt.

Eine Reihe von Wis­sen­schaft­lern unter­sucht der­zeit die Rolle des Vek­tor­ef­fekts im offenen Meer und erforscht, wie Plastik Gifte im Meer und im Körper von Mee­res­tieren ver­breitet. Die fol­genden Che­mi­ka­lien, die häufig in Mikro­plastik nach­ge­wiesen werden, sind am besorg­nis­er­re­gendsten: Weich­ma­cher. Viele Wis­sen­schaftler kon­zen­trieren sich auf andere Che­mi­ka­lien, die Mikro­plastik in der Natur auf­nehmen kann, aber wir müssen uns auch – und viel­leicht noch drin­gender – genau ansehen, welche Arten von Kunst­stoff­zu­satz­stoffen jetzt durch Plastik, ins­be­son­dere Mikro­plastik und Nano­plastik, in die Umwelt gelangen.

Die Unter­su­chung des Vek­tor­ef­fekts ist aus einer Reihe von Gründen schwierig, unter anderem wegen der großen Viel­falt an toxi­schen Che­mi­ka­lien, die ein Stück Mikro­plastik ent­halten kann. Am kniff­ligsten ist diese For­schung, wenn es um die kleinsten Plas­tik­teile – Nano­plastik – geht, die schwer zu sam­meln und zu analysieren sind. Wis­sen­schaftler haben Nano­plas­tik­par­tikel auf­ge­spürt, die von Plankton auf­ge­nommen werden, das wie­derum von Fischen gefressen wird. Und im Körper der Fische haben die Wis­sen­schaftler den Weg des Nano­plas­tiks vom ver­dauten Plankton in ihren Ein­ge­weiden bis in ihre Blut­bahn und dann in ihr Gehirn ver­folgt. Fische mit Nano­plastik im Gehirn zeigen abwei­chende Ver­hal­tens­weisen, wie z. B. eine ver­kürzte oder beschleu­nigte Fress­zeit und zu viel oder zu wenig Erkun­dung ihrer Umge­bung. Diese Ver­hal­tens­weisen, die oft Energie ver­schwenden und die Fähig­keit der Fische zur Beu­te­jagd beeinträchtigen, scheinen auf neu­ro­lo­gi­sche Fehl­funk­tionen hin­zu­weisen, die wahr­schein­lich durch das Vor­han­den­sein von Plastik und den darin ent­hal­tenen Che­mi­ka­lien ver­ur­sacht werden.

Nano­plas­tik­par­tikel müssen nicht unbe­dingt gegessen werden, um Schaden anzu­richten. Sie wurden von Fisch­föten auf­ge­nommen, die noch in ihren Eiern wachsen. Wis­sen­schaftler der Duke Uni­ver­sity haben beob­achtet, dass Zebra­bärblin­geier, die nur sechs Stunden nach ihrer Befruch­tung in mit Nano­plastik ver­seuchtes Wasser getaucht wurden, einen Teil des Nano­plas­tiks aus dem umge­benden Wasser in die Fisch­embryonen über­tragen haben. Dort ver­teilte sich das Nano­plastik in den sich noch ent­wi­ckelnden Föten. Als die Baby­ze­bra­fi­sche schlüpften, sahen sie kör­per­lich normal aus. Doch unter der Haut schlugen ihre Herzen abnormal langsam, und im Gegen­satz zu gesunden jungen Zebra­fi­schen, die nor­ma­ler­weise voller Energie sind, bewegten sich diese Jung­fi­sche eher träge in ihren Becken. Diese Merk­male würden zwei­fellos ihre Über­le­bens­chancen ver­rin­gern, wenn sie ver­su­chen würden, in freier Wild­bahn zu überleben.

Auch wenn die Gefahren der Auf­nahme und Expo­si­tion von Mikro­plastik und Nano­plastik noch nicht voll­ständig geklärt sind, sind sich die Wis­sen­schaftler einig, dass diese kleinen Plas­tik­par­tikel effi­zi­ente Trans­porter für gif­tige Che­mi­ka­lien sind, die eine Bedro­hung für das Leben von Wild­tieren dar­stellen. Wie werden mensch­liche Körper von Mikro- und Nano­plas­tik­par­ti­keln beeinflusst?

Übersicht

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert